Das Oeuvre des niederländischen Künstlers Peter Bogers umfaßt neben zahlreichen Videobändern, ca. 20 großräumige Videoinstallationen.

Bezugspunkt aller Arbeiten von Peter Bogers ist der menschliche Körper - dessen Bewegungen und Rhythmen (z.B. das Pulsieren einer Ader), dessen Gesten (etwa die geballte Faust) und dessen “Geräusche” (Herzklopfen, Atmen, frühkindliches Geplapper usw.). Einem Verhaltensforscher gleich, beobachtet er minutiös die Regungen des Menschen und komponiert daraus visuell und akustisch eindrucks-volle Tableaus aus bewegten Bildern im dreidimensionalen Raum.

Peter Bogers künstlerische Laufbahn begann im Bereich der Performance Kunst. Das besondere Verhältnis von Körper, Raum und Handlung sowie zwischen Kunstwerk und Betrachter, das bei der Performance eine wesentliche Rolle spielt, hat er erfolgreich auf das Medium Video übertragen. Nicht selten ist er selbst der Protagonist seiner Filme, zugleich versetzen seine Videoinstallationen auch den Betrachter in die Rolle des “Performers”.

Zeitgenössische Kunst zeichnet sich heute darin aus, daß sie medien- und genreübergreifend operiert. Kaum ein Künstler vermag es, so souverän zwischen den Feldern Film, Videoclip, Performance, Inter-aktion, Licht, Bild, Klang, Skulptur und Rauminstallation zu navigieren, wie Peter Bogers.  Er bedient sich dabei am Ton- und Bildmaterial der Massenmedien, filmt ungestellte Alltagssituationen oder nimmt im Studio perfekt choreographierte Szenen auf.

In seinen neueren Arbeiten lenkt Peter Bogers den Blick auf die Klein-igkeiten, jene oftmals aus Gewohnheit oder Hektik übersehenen Mo-mente des Alltags: Ein Kaffee wird umgerührt, Wind streift über einen Vorhang, ein Sekundenzeiger schlägt um. Solche und ähnliche Augen-blicke sind in der Videoinstallation “Heaven” über ca. 15 Monitore ver-teilt. Von der jeweiligen “Aktion” wird immer nur eine Sekunde gezeigt, allerdings zigfach hintereinandergeschnitten - und zwar im Sekunden-takt abwechselnd vorwärts, rückwärts, vorwärts ... laufend. Aus einem vergangenen Augenblick wird somit eine permanente, sich spiralförmig wiederholende Handlung kreiert.

Ähnlich der Bildproduktion populärer Videoclips à la MTV, sind Bogers Videos aus unzähligen Schnitten zusammengesetzt. Anders als MTV erzeugt er dabei jedoch keine rasanten, effektheischenden Bildab-folgen, sondern das Gegenteil: er verleiht den Dingen eine ungewohnte Langsamkeit und räumliche Ausdehnung - kurz: Spannung.

Der Umgang mit Zeit bzw. mit Sekunden ist ein zentraler Aspekt im Werk von Peter Bogers. Es geht ihm um ganz bestimmte Momente oder Zustände - des Körpers, des Alltags -, die er aus der “Realzeit” herauslöst um sie in einen anderen - zugleich physischen wie virtuellen, verschwindenden wie konservierten - Zustand von Dauer zu transfer-ieren. Mit großer Perfektion hat Bogers in seiner Videoinstallation “Ritual” beispielsweise Gewaltmomente aus Hunderten von Action-filmen zu einem merkwürdigen, sublimen Tanz komponiert.

Die präzise Komposition und Synchronisation von Bildern korrespon-diert in Bogers Werk mit einer ebenso präzisen De- und Remontage von Tönen bzw.  Geräuschen, wie etwa in “Nóóó, you don’t understand”, wo sich Bogers fast lautmalerisch mit Geräuschfragmenten aus Soap-Operas und deren imaginären Kraft beschäftigt.

Die überzeugende Wechselwirkung zwischen Bild, Ton, Zeit und Raum verleiht den Arbeiten von Peter Bogers eine bestechende physische Präsenz, der sich kaum ein Betrachter entziehen kann. Eine ähnlich physische Präsenz findet man derzeit höchstens in Videoinstallationen von Bruce Nauman, Bill Viola oder Gary Hill vor. Mit Letzterem stellte Bogers 1997 gemeinsam in der Galerie des niederländischen Medien-kunstinstitutes MonteVideo aus.

Das Herausragende an den Videos und Videoinstallationen von Peter Bogers manifestiert sich in der inhaltlichen, konzeptionellen und audio-visuellen Stringenz, mit der er sie plant, durchdenkt und schließlich realisiert.

Diese Sorgfalt betrifft auch die Präsentation, also die räumliche Insze-nierung seiner Werke. In “Heaven” schweben die Monitore - mal mit dem Bildschirm schräg, mal flach nach oben, mal frontal zum Betrachter hin - in unterschiedlichen Höhen im Raum. Sie bilden somit eine unsichtbare Innenarchitektur. Bei der Installation “Ritual” sind die Moni-tore wiederum zu einer Manege arrangiert, in der die Besucher den Bildern wie Zirkuspferde hinterherjagen.

 

 Peter Bogers präsentiert seine Werke immer ortsbezogen, das heißt er paßt den Aufbau an die räumlichen Bedingungen des jeweiligen Ausstellungsortes an - sei dieser ein Museum, eine Galerie, ein leer-stehendes Haus oder eine schwer zu bespielende Situation wie das von Daniel Liebeskind entworfene Felix Nussbaum Museum in Osnabrück, wo Bogers im Rahmen des European Media Art Festival 1999 seine Arbeit “Force II” zeigte.

Kaum ein Künstler vermag es wie Peter Bogers, bereits im “story board” einer noch nicht realisierten Videoinstallation sämtliche kognitiven, emotionalen und physischen Parameter des künftigen Werkes auf den Punkt zu bringen und zu vermitteln. Diese “story boards” - die fast eine eigene künstlerische Kategorie im Oeuvre von Bogers dar-stellen - bestehen aus komplexen Computeranimationen, die dreidimensionale Ansichten, Detailaufnahmen sowie Kurztexte zum Inhalt und zur Präsentationsform der geplanten Arbeit miteinander ver-knüpfen. Jenseits didaktischer Gesten gelingt es ihm so, das ganze Spektrum eines Kunstwerkes “virtuell” darzustellen.

 

Iris Dressler 2002

 

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