From the catalogue: hARTware - Medienkunst aus den Niederlanden

Dortmund 1996

 

 Das Künstlerhaus Dortmund nimmt die internationalen Kulturtage dialoog cultuur NL in NRW zum An1ass, vier niederländische künstler vorzustellen, die mit digitalen Medien bzw. intermedial arbeiten: Peter Bogers, Fiona Tan, Bea de Visser und Gerald van der Kaap. Bemerkenswert an diesen künstlern ist eine Umgangsweise mit neuen Technologien, die nicht die Technik in den Vordergrund stellt, sondern die Bilder und Zuschreibungen, die hierüber erzeugt werden. Es geht um das enge Beieinander von bildlicher Manipulation und dem, was als Wirklichkeit “fürwahrgenommen wird”. Technologie wird dabei jedoch nicht als die Manipulation schlechthin von Bildern angeprangert. Stattdessen werden die technologischen Parameter mehrfach durchkreuzt, urn die Manipulation durch Bilder schlechthin aufzuzeigen. Eine Aneignung von elektronischen Medien, die davon spricht, dass Bilder schon immer verdächtig waren.

Van der Kaap befragt die Funktionen von Kunst im öffentlichen Raum unter den Bedingungen einer zunehmenden Mediatisierung von Offentlichkeit. Er simuliert und ironisiert dabei Interaktions und Informationssysteme. Bogers, Tan und de Visser untersuchen das digitale Bild in Relation zum Körper, zur Sprache, zum Blick und, in einer Umkehrschleife, zum Status selbst von Bildlichkeit. Sie verwechseln den Prozess, des Abbildens und der Kommunikation. Die Bilder geraten durcheinander und geben sich als mehrdeutig zu erkennen. Sie evozieren Bedeutungen, die sich “eigentlich” gegenseitig ausschliessen.

 

 Peter Bogers inszeniert in Retorica den Sprachlernprozess unter umgekehrten Vorzeichen. Zwei Monitore sind in unterschiedlicher Höhe so zueinander gehängt, dass sie sich scheinbar dialogisch aufeinander beziehen. Der untere Monitor zeigt abwechselnd das Auge und den Mund eines Mannes, der obere die selben Gesichtsfragmente eines Babys. Die Synchronisation ist dabei perfekt: Wenn oben Auge, dann unten Mund, wenn unten Auge, dann oben Mund. In diesem endlosen Spiel gibt das Kind jeweils einen Laut vor, den der Erwachsene wiederholt. Oder ist es der Mann, der diese unartikuLierten Laute äussert, die das Kind dann nachahmt? Je länger man der Szene beiwohnt, desto unentscheidbarer wird das Verhältnis. Hinzu kommt, dass die vorgegebenen Laute zu perfekt, fast identisch wiederholt werden, einzig die Tonlage differiert. Bogers verwendete für die Installation Videoaufzeichnungen von sich und seinem Sohn. Die Stimme in Retorica stammt jedoch nur vom Kind: Sie wurde dem Vater, Uber einen Stimmodulator verändert, in den Mund gelegt.

 

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